REICHSTAL. Offenbar weitgehend unbemerkt von der interessierten Öffentlichkeit fand in Reichstal ein kleines politisches Beben statt. Mit deutlicher Mehrheit wählten die Reichstagsabgeordneten den Abgeordneten Gambrivius Faun von Graukatz zum neuen Reichstagspräsidenten. Er tritt damit die Nachfolge von Elisabeth Despencer an, die die notwendige Mehrheit klar verfehlte.
Was auf den ersten Blick nach einer ganz normale Verschiebung der Mehrheitsverhältnisse im Parlament aussieht, ist in Wahrheit ein gehöriger Wink mit dem sprichwörtlichen Zaunpfahl. Denn: der Gewählte ist keiner geringerer als der amtierende Reichskanzler und ehemalige Spitzenkandidat der Nationalliberalen. Seine Partei hatte bei der letzten Wahl zwar Federn gelassen, doch scheint eine Regierungsbeteiligung der NLP nicht unwahrscheinlich. In einer ersten Sondierungsrunde verständigten sich Nationalliberale und Liberaldemokraten auf Koalitionsverhandlungen und luden zudem weitere Fraktionen zu Gesprächen ein. Hatte NLP-Generalsekretärin von Pyrnhagen nach der Wahl mehrfach den Führungsanspruch ihrer Partei untermauert, ist die graukatzsche Wahl zum Reichstagspräsidenten ein untrügliches Zeichen für die Räumung dieser Position. Der amtieren Reichskanzler wird damit mit an größter Wahrscheinlichkeit nicht wieder an der Spitze der kommenden Reichsregierung stehen. Das Thema „Reichskanzler“ dürfte damit für die gesamte Partei passé sein. Weder der Reichskanzler noch die NLP-Generalsekretärin wollten dies gegenüber dem Ulzgauer Kurier kommentieren.
Aus gut informierten Kreisen ist jedoch zu hören, dass der Wechsel Graukatz‘ an die Spitze des Parlamentes die goldene Brücke war, um ohne Gesichtsverlust zugunsten der Liberaldemokraten auf die Reichskanzlei zu verzichten. Das dürfte wohl auch der Preis dafür gewesen zu sein, dass diese überhaupt zu weitergehenden Gesprächen mit den konservativ-reaktionären Parteien bereit waren. Mit großem Interesse darf jetzt der Blick auf die Reihen der Liberaldemokraten gerichtet werden. Denn die Partei, die durch Flügelkämpfe gezeichnet, nach wie vor um eine Positionierung im politischen Spektrum ringt, hat eine große Bandbreite an potentiellen Aspiranten. Hoch im Kurs dürften wohl neben der Fraktionsvorsitzenden Engelhard-Grimm auch der Reichskanzler a.D. von Hammer und Ex-Parteichef tom Brok stehen.
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